Briefe von der Westfront, Leseprobe, Seite 3 - 5

Fritz Langner, ein Neustädter Kind

Fritz Langner

Fritz Langner wurde am 12. Februar 1885 in Neustadt in der Großen Wallstraße 09 geboren. Der Sohn des Ackerbürgers Johannes Langner sollte Lehrer werden, um sich nicht so abrackern zu müssen wie seine Eltern. 1904 – 1906 war er Seminarist in Neukloster. Nach erfolgreichem Abschluss trat er seine Lehrerstelle 1907 in der Volksschule in Neustadt an. Damals war die Schule noch auf der alten Burg. Mit seinen älteren Kollegen Bandow, Feilcke und Turnow begann seine berufliche Laufbahn als Lehrer. Bald zeigte sich bei dem leutseligen Ackerbürgersohn das Interesse für Humor und Witz. Aber auch die Geschichte unserer Stadt fesselte ihn. So entstand seine Sage über „Glewes Untergang im Neustädter See“ als Gedicht. Sein Interesse galt neben alten Flurnamen besonders der Natur. Angefangen vom Himmel bis hin zu den Moosen, Gräsern und Pilzen faszinierte Langner alles. Er war zu seiner Zeit Experte auf diesem Gebiet. Er dokumentierte dieses Wissen in Ausstellungen und umfangreichen Sammlungen. Aber auch den Neustädter See hat er mit seinem Boot vermessen.
1911 heiratete er Margarete Peters aus Grabow. Doch im Sommer 1914 musste Fritz Langner in den Krieg ziehen. Ein reger Briefwechsel zwischen Grete in Grabow und Fritz aus Frankreich machte die Trennung erträglicher. Im September 1916 geriet der Soldat im Grenadierregiment 89, Fritz Langner, in französische Kriegsgefangenschaft. Doch Dank des Roten Kreuzes konnte die Korrespondenz zwischen dem Ehepaar fortgeführt werden. Nach seiner Heimkehr konnten Langners ihre Mietwohnung in der Seestraße 03 wieder beziehen. Hier wurde bald die Tochter Lieselotte geboren. Es wurde nie versäumt, den Tag der Heimkehr aus Frankreich alljährlich zu begehen. Etwa mit der Fertigstellung der neuen Schule auf dem Gelände der ehemaligen „Johann-Albrechts-Werke“ im Jahr 1927 war auch das neue Haus der Familie in der Schweriner Straße fertig. Auch Familie Langner wurde nicht von den Schrecken des II. Weltkrieges verschont. Kurz nach Beendigung des Krieges starb seine Frau. Bis zu seinem Tod am 1. Oktober 1967 lebte Fritz Langner weiter in seinem Haus am Friedhof und hat noch so manch Interessantes zu Papier gebracht. Dieser Text wurde gekürzt von Hans Jürgen Wilke übernommen, dessen abschließender Satz hier zitiert werden soll: „Fritz Langner war ein Original, an den ich in Dankbarkeit erinnern wollte.“

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Diese Kurzbiographie von Fritz Langner soll uns einstimmen auf die Niederschrift seiner Briefe. Langner hat den I. Weltkrieg von Anfang an mitgemacht. Der Briefwechsel mit seiner Frau (ca. 670 maschinengeschriebene Seiten) lässt uns das Kriegsgeschehen hautnah miterleben. Hier haben wir keinen Kriegsberichterstatter, sondern jemanden, der unmittelbarer Teilnehmer ist.
In dem hier vorliegenden Buch erleben wir nicht nur den „Soldatenalltag“, sondern auch viele Schlachten an der französischen Front.
Langner schildert die Ereignisse aus nächster Nähe und wir haben auch an seinem Seelenleben regen Anteil. Aus gegebener Veranlassung muss aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass alles Niedergeschriebene von ihm im Original wiedergegeben wird. Einen Kommentar dazu erspart sich der „Abschreiber“. Wir müssen beim Lesen immer Lehrer Langner, seine Zeit und die besonderen Umstände sehen.
Die Auszüge von 429 Seiten wurden u.a. durch Streichungen von Wiederholungen auf 335 gekürzt.
Nun noch einige Bemerkungen zum vorliegenden Text. Die Briefe wurden alle in Sütterlin verfasst. Leider sind von einigen Worten bis hin zu ganzen Abschnitten die Aufzeichnungen so schlecht geschrieben, dass man sie nicht lesen kann. Hinzu kommt, dass die meisten Briefe mit Bleistift geschrieben wurden, was manchmal die Schrift verblassen lässt. Aber auch an den Faltstellen der Blätter trifft das zu. Diese Stellen sind mit (.?.) gekennzeichnet, bzw. die vom Verfasser ersetzten Worte in [.] gesetzt. (…) bedeuten, hier werden ein oder mehrere Sätze übersprungen. Oft wurde das letztgenannte Zeichen im vorliegenden Buch weggelassen, um so den Text komplexer zu bekommen.
Die Gespräche, die Langner im Mecklenburger Niederdeutsch wiedergibt, wurden zum allgemeinen Verständnis ins Hochdeutsche übertragen.
Auch auf ein Inhaltsverzeichnis wird hier verzichtet. Die Briefe umfassen Langners Ausbildung in Schwerin, seine Fahrt an die Front und seinen Einsatz dort. Wobei Punkt 2 und 3 als eine Abhandlung gesehen werden können.
Mit Langners Gefangennahme wird der Bericht beendet. Diese noch darzustellen würde den Rahmen sprengen.
Zum Schluss noch der Hinweis, dass die Bilder alle von Lehrer Langner stammen. Er hat nach dem Krieg ein Album zusammengestellt.

 

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Fritz Langner, Soldat

Liebes Gretel
Ist das ne Wirtschaft. 15 Mann sind auf unserer Bude. Die meisten liegen mit dem Anzug auf den Betten, der eine [braucht Ruhe], die anderen machen Witze, bes. über unsere augenblickliche Enge. Die Uhr ist ½ 2 – schon muss ich eine Pause machen, denn hier wurde ausgefegt, d. h., dass einer kam mit einem Eimer Wasser und planscht die Stube voll und ein anderer fegt mit einem allmächtigen Stubenbesen aus. (.?.)
Wir sind alle hierbehalten bis auf einige wenige. Der Jude Lichtenstein aus (.?.) dazu, der ist doch wirklich krank an der Lunge, aber trotzdem genommen. Aber ich will mal von vorne anfangen.
Auf der Anfahrt traf ich Breuel u. Reimann u. wir unterhielten uns. Im Zug gesellten sich Armster und Biemann [alle 4 sind Neustädter] zu uns. Wir haben die ganze Reise zusammen gemacht. Von Parchim ab, wo wir umsteigen mussten, fuhren wir 2. Klasse. Auf der ganzen Fahrt haben wir Witze gemacht. Der Student Reimann war unerschöpflich.

Fritz Langner, Plakat

In Schw. war auf dem Bahnhof ungeheuer viel Militär, alle graue Felduniform.
Werner Buck pp. [ein Neustädter] war gerade nach Frankreich abgefahren. Auch andere Neustädter trafen wir sofort.
Vor der Kaserne lagen u. saßen viele, viele junge Leute, alle mit dem berühmten Pappkarton. Nach langem Warten war es endlich M.
Wir mussten uns in 2 Reihen aufstellen und jetzt gings stehen bis um 1 Uhr, also 2 Std. [weiter]. Wir wurden aufgerufen u. mussten uns in dieser Reihenfolge aufstellen. Dann wurden wir zu 20 Mann abgeteilt d. v. einer Korporalschaft mit je einem Unteroffizier und einem Gefreiten, also zus. 22. Dies alles dauerte bis um 1 Uhr, zum Entsetzen langweilig. Nun essen. Jeder musste zusehen, wie er eine Kumme (Schüssel) bekam. Wir liefen in die Mannschaftsstuben [besorgten] uns mit Geschrei od. guten Worten eine solche Kumme und einen Löffel. Dann gings in die Kantine u. hier tüppte

 

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der Koch mit seinem langen Löffel unseren Kummen voll. Pflaumen und Graupen mit Fleisch. Schmeckte vorzüglich, wirklich sehr.
Unsere Sachen hatten wir vorher in eine gr. Halle, in der die Soldaten beim Regen exerzieren, geschaffen. Sie wurde mit Stroh ausgelegt. Diese Halle bleibt mir ewig in Erinnerung.
Um ½ 3 mussten wir wieder antreten, unsere [Zivilsachen] abgeben, nach der Größe etwas aufstellen, wurden wieder abgeteilt in Korporalschaften.
Wir hatten...................................

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